Horst Schulz und sein Patchworkstricken

Horst Schulz feiert in diesen Tagen - Dezember 2008 - einen großen "runden" Geburtstag. Ich weiß nicht, ob er die Jahreszahl genannt bekommen möchte - aber er kann sehr stolz sein, in diesem Alter immer noch so innovativ und künstlerisch vom Patchworkstricken besessen zu sein. Und ich hoffe, daß es noch viele Jahre so sein wird. Denn erst jetzt wird sein "Neues Stricken" richtig rundum bekannt - viele Strickerinnen hat nun der Patchworkstrick-Virus erfaßt.

Und so gibt es auch in diesem Jahr noch ein rundes Jubiläum. Das Patchworkstricken, das Neue Stricken - oder wie man ganz leger sagt - "das Schulz-Stricken" - wurde vor 20 Jahren von Horst Schulz als das "Neue Stricken" erfunden/entwickelt.

Horst Schulz hat mir ein paar Unterlagen überlassen, aus denen ich versucht habe, ein wenig über diesen Mann zu erzählen, der "den Frauen das Stricken beibringt" - so wurde er zu früheren Zeiten oftmals angekündigt :)

Die Strick-Karriere des Horst Schulz begann in den Kriegsjahren in einem Flüchtlingslager in Dänemark. Um der Langeweile zu entkommen, lernte Horst Schulz von einer alten Frau das Stricken von Spitzendecken. Mit einer Nadel aus zugespitztem Eisendraht und "Garn" aus aufgezogenen Jutesäcken, Scheuertüchern und Socken entstanden aus seinen Händen mehr als 30 wundervolle Decken.

Nach den 4 harten Lagerjahren glaubte er, nie wieder Stricknadeln anrühren zu wollen/müssen.

Später wurde er Dekorateur, so auch bei einer Berliner Ladenkette.

Doch dann kamen die Stricknadeln wieder ins Spiel: um den Wollverkauf anzukurbeln, setzte er sich als Werbegag strickenderweise ins Schaufenster. Auch gab er Strickstunden in der Wollabteilung des Geschäftes.

Die Ladenkette mußte schließen und Horst Schulz - zu "alt" für den Arbeitsmarkt - stand auf der Straße.

Da die Stricklust durch seine bisherige Arbeit wieder erweckt war, beschäftigte ihn das in zunehmendem Maß. Er liebte das Stricken mit vielen Farben und Mustern - aber das fortwährende Zählen und Fäden entwirren ließen seine Gedanken darum kreisen, wie man das entschärfen oder sogar umgehen könnte - und so auch die Lust am Vielfarbenstricken zu verstärken.

Warum nur gerade Reihen und von unten nach oben stricken mit vielen Fäden und noch mehr Maschen ? Es folgten zahllose Experimente - er entdeckte, daß man mit kleinen Einzelteilen in Patchwork-Manier traumhafte Unikate herstellen kann.

Jetzt sagen sicher einige Strickerinnen: Strick-Patches hat es auch vor Horst Schulz schon gegeben als Resteverwertung. Das ist zweifellos richtig. Aber meist wurden diese Flicken zusammen genäht oder gehäkelt. Was auch mit sich brachte, Unmengen von Fäden vernähen zu müssen.

Horst Schulz hat aber seine Einzelteile direkt verbunden, alles wird aneinander oder aus dem anderen heraus gestrickt, gleichzeitige werden die Anfangs-/Endfäden der vielen Farben mit eingewebt, so daß sich das lästige Fäden vernähen minimiert. Und ---- es wird meist nur mit einer Farbe gestrickt, selten mal mit zweien - obwohl in Wirklichkeit 20-30-40 verschiedene Farben in der Strickarbeit enthalten sind. Kein Fadenwirrwarr mehr. Außerdem bringt er verschiedene Formen zusammen - L-förmiges mit Quadraten, Rundes mit Eckigem ...

Seine innovative Strickart brachte ihm Einladungen aus Kanada, den USA und Südafrika. Das begeisterte Publikum scharte sich in großer Menge um ihn, er demonstrierte seine Strickkunst in riesengroßen Auditorien - bei uns nicht vorstellbar.

Auch hier in Europa war er unterwegs, gab Seminare, ließ die Stricker/innen an seiner Strickkunst teilhaben. Was ihn besonders stolz macht, war die Einladung in das renommierte Victoria-und-Albert - Museum in London - eine wirklich große Ehre.

Bei uns bewahrheitet sich eher wieder das Sprichwort: der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Wie sonst ist bei uns das Patchworkstricken nach Horst Schulz erst jetzt - nahezu 20 Jahre nach Entstehen dieser Strickkunst - immer noch ein "Neues Stricken" ?

Allerdings - die Strickerinnen, die sich mit dem "Schulz-Virus" infiziert haben, die bleiben ihm auch treu. Denn, wenn man "nach Horst Schulz" strickt - man kreiert immer das eigene Strickstück. Das Patchworkstricken öffnet Tür und Tor zur eigenen Fantasie.

Ich habe Horst Schulz - und seine Strickkunst - vor ca. 15 Jahren kennen gelernt. Mir imponiert nicht nur diese zeitlose, fantastische Art, Wolle in gestrickte Kunst umzusetzen - auch der Mensch Horst Schulz ist eine riesengroße Bereicherung in meinem (unserem) Leben geworden.

Alles Gute, lieber Herr Schulz!

Auf daß noch einige innovative Strickstücke aus Ihren Nadeln entstehen, Sie noch viele Strickerinnen bewegen, etwas "Neues" aus bunten Garnen entstehen zu lassen.

Und hier geht es nun zu vielen Fotos, die mir Horst Schulz zur Verfügung gestellt hat. Sie sind nur ein winziger Teil seines unerschöpflichen Könnens - aber ich glaube, es macht Spaß, sie anzuschauen und eventuell mit Nadel und Wolle nachzuvollziehen.

(c)Liane Schommertz 2008